Proteste in Griechenland


Der Grieche ist eigentlich ein zufriedener Mensch. Eigentlich. Er kann jedoch nicht leiden, wenn man ihn bevormundet, an seinem Status rüttelt oder ihn mit Belanglosem konfrontiert. Was er nun überhaupt nicht ausstehen kann, ist, wenn wir ihn für dumm verkaufen. Dann kann er sogar sehr aggressiv werden.


Das Lebensniveau ist in Griechenland nach wie vor sehr hoch. Vielleicht nicht in absoluten Zahlen, aber in Sachen Lebensqualität. Dies ist kein Geheimnis, denn viele von uns beneiden die Griechen um ihren Lebensstil und jeder zweite Griechenland Urlauber träumt von solch einem bescheidenen Leben in Ruhe und Harmonie.

Mit dem EU-Beitritt, als die Drachme begraben wurde, änderte sich die griechische Bescheidenheit. Die Menschen wollten vom Kuchen der Industrienationen ein Stück abbekommen, und, Hand aufs Herz, welcher Mann fährt nicht lieber einen Neuwagen?

Das einfache griechische Leben wurde nicht wesentlich komplizierter, denn das Kapital für die ganzen Güter aus den Industrienationen kam von den Banken. Die Kreditinstitute freuten sich, da sie gezwungen waren immer mehr wirtschaftliche Leistung zu erbringen, schließlich wollte man wie alle Europäer Wachstumsraten vorweisen und was die Sicherheiten angeht, so waren sie eben nicht kleinlich, weswegen es keine Rolle spielte, ob der Kreditnehmer ein Großgrundbesitzer war, oder arbeitslos. Im Großen und Ganzen traumhafte Zustände, wenn wir bedenken welcher Zirkus veranstaltet wird, wenn wir uns ein paar Kröten von der Bank leihen möchten.

Der kritische Deutsche vermutete schon vor Jahren „Die Sache hat einen Haken“. Dies liegt aber eher am Pessimismus der Deutschen, als an den Tatsachen, denn in den Industrieländern wurde produziert, die Güter landeten u.a. in Griechenland und die Banken finanzierten, und wurden von anderen Banken refinanziert. Am Ende dieser Kette stehen immer Druckereien, die das dafür notwendige Papier bedrucken. Alles in Allem eine Win-Win-Situation, wie wir es neudeutsch nennen könnten.

Wären da nicht die Schulden. Schulden sind nicht etwa die Gegenleistung, für etwas, denn am Ende der Kette steht tatsächlich nur die Druckerei. Wenn Griechenland Geld von der EU bekommt, zahlen die Industrienationen, doch diese Länder müssen sich ebenfalls refinanzieren. Seltsamerweise sind sämtliche Industrienationen hoch verschuldet und der informierte Bürger mit Kenntnissen über Ökonomie und Finanzwirtschaft wird gleich hinweisen, dass das Geld letztendlich vom Kapitalmarkt kommt. Das mag ja sein, aber woher hat der Kapitalmarkt und die Anleger das Kapital, etwa nicht von den Banken?

Wenn die Basis für unseren Wohlstand bedrucktes Papier ist, dann ist daran nichts auszusetzten, wären da nicht die Zinsen. Durch die Zinsen entsteht ein System aus Schuldnern und Besitzern.

Als der Sklavenhandel noch populär war, wurde den Menschen von Geburt an eine Schuld zugesprochen, die sie im Laufe des Lebens abtragen konnten. Sie konnten sich „freikaufen“. Einige schafften dies und wenn, dann trat das freudige Ereignis der Freiheit gegen Ende der Lebensmitte ein; wir würden heute vermutlich „kurz vor der Rente“ sagen. Dann waren die Sklaven endlich frei. Andererseits waren die Sklaven im hohen Alter auch wertlos und nützten den Kapitalverwaltern in der Kapitalvermehrung nicht wirklich weiter. [lat. capitalis 'Haupt... ']

Wenn wir uns heute über die „300 Griechen“ wundern, die erkannt haben, dass das Geld der EU wieder bei den Banken und Großunternehmen zwischen Frankfurt, Shanghai und New York landet, müssten wir zunächst unseren eigenen geistigen Zustand überprüfen. Wieso sind es nicht wir, die auf die Barrikaden gehen? Die Griechen wissen, dass sich durch die EU Kredite im Land nichts, aber auch gar nichts ändern wird, außer, dass die nachfolgenden Generation hoffnungslos verschuldet sein werden und diese Schuld wird, anders als im Sklavenhandel, niemals abzutragen sein.

Es zeugt von Größe, wenn Menschen den Mut aufbringen und lieber „die Karre an die Wand fahren“ und damit einen Neuanfang wagen. Es war ein schönes Kapitel, die Zeit der neuen Autos und supermodernen Waschmaschinen, aber letztendlich wächst im Garten alles was wir zum Leben brauchen.

Der Grieche hat den Vorteil, dass er noch nicht ganz enteignet wurde. Zwar werden bei der ganzen Umschuldungsaktion viele Ackergrundstücke bei den Banken landen aber ein großer Teil Bevölkerung ist nach wie vor relativ unabhängig. Beim genaueren Betrachten können wir im Übrigen feststellen, dass die Enteignung von Grund Methode hat. Mit eigenem Land ist der Mensch unabhängig. Menschen ohne Land hängen an der Nadel der Wirtschaft bzw. des Staates: Süchtige, Abhängige oder einfach Sklaven.

In den Industrienationen, wo ein Großteil der Bevölkerung in der Stadt lebt, ist diese Versklavung bereits eingetreten. Ein deutscher Politiker braucht nur anzudeuten „Das kostet Arbeitsplätze“ und schon ducken wir uns und schimpfen vielleicht noch am Stammtisch unseren Frust weg über die traurige Wahrheit, aber schon am Montag werden wir wieder der Produktionsmaschinerie dienen und den Griechen bewundern, der auf seiner Veranda sitzt und den Tomaten beim reifen zusieht.

Der Grieche hat weiter den Vorteil, dass er zwar gut leben möchte und hierfür benötigt er in keinster Weise Arbeit. Er arbeitet, wenn es erforderlich ist, aber er arbeitet nicht, um in der Arbeit sein Glück zu finden. Sein Glück wartet auf der Veranda.

Wenn wir nicht zufrieden sind, mit dem was wir haben, werden wir auch keine Zufriedenheit erlangen wenn uns sämtliche Wünsche erfüllt werden, soll einst Sokrates auf dem Athener Marktplatz verkündet haben.

Griechenland ist auf den EU-Zug aufgesprungen und hat natürlich auch partizipiert, nun hat das griechische Volk die Chance sich von dem Suchtprinzip zu lösen. Mindestens 300 Griechen scheinen dies begriffen zu haben.